Über die Abgründe in der Unterhaltungsindustrie wurde gerade in jüngster Zeit viel berichtet. Unfassbare, oft unbezahlte Kontigente an Überstunden, Misshandlungen, Sexismus und Vergewaltigungen, das waren Themen der letzten Monate. Unter dem Hashtag #metoo teilten viele Opfer ihre Erfahrungen mit Vergewaltigung, Diskriminierung und Sexismus.
Nun hat es eine der bekanntesten Ikonen erreicht. Jeremy Soule, einer der bekanntesten Videospiel Komponisten, wird beschuldigt, vor rund 10 Jahren eine junge Designerin vergewaltigt zu haben. Seine Werke sind bekannt aus Elder Scrolls, Guild Wars, WoW: Mists of Pandaria, Warhammer 40k, Star Wars: Knights of the Old Republic und vielem mehr.
Der Vorwurf stammt von Nathalie Lawhead, einer Künstlerin und Designerin, die die Anschuldigung in einem langen Blogpost formulierte, in dem sie detailliert ihr Martyrium schilderte.
Nathalie Lawhead über Mißhandlungen an ihrem Arbeitsplatz
So begann sie 2008 eine neue Arbeitsstelle in Vancouver, in deren Zuge sie Soule kennenlernte. In ihrer Schilderung erklärt sie, wie sich zwischen den beiden eine vermeintlich freundschaftliche Beziehung entwickelte. Bis Soule begann, ihre prekäre Situation auszunutzen und die verzweifelte Nathalie schliesslich vergewaltigte.
„Darauf basiert die Arbeit, die er für Videospiele komponierte. Er „braucht Frauen, um ihn zu inspirieren“ … es gab so viel Unangenehmes, und es wurde immer dunkler und dunkler.
Er machte mir Avancen und ich erklärte, dass ich das nicht wollte und nur eine Freundschaft wollte. Er war sehr bedrohlich und hörte nicht zu. Er machte deutlich, dass es sich um „ihn oder die Pleite“ handelt.
Er hat mich vergewaltigt.
Während dieser ganzen Zeit verhielt sich Jeremy wie ein Opfer und beschuldigte Frauen, mit denen er in Beziehung stand (oder erzwungene Beziehungen einging), für das, was er tat.“
Aus Angst und Not, ihren Job nicht verlieren zu dürfen, schwieg das Opfer und versuchte, mit der Situation alleine klarzukommen. So wie es viele Opfer sexueller Übergriffe versuchen. Sie vergrub sich in Arbeit, wurde aber durch den Einfluss Soules, den dieser auf ihre Arbeitgeber hatte, immer weiter drangsaliert und psychisch misshandelt.
Nach zwei Zusammenbrüchen und einem langen Streit über nicht bezahlte Arbeitszeiten wurde Nathalie schliesslich gekündigt und ihre Arbeit, die sie für die Firma geleistet hatte, in den Dreck gezogen.
Nachdem Nathalie Lawhead sich wieder einigermaßen erholt hatte und eine neue Arbeitsstelle als Designerin für ein weiteres Videospiel antrat, erwies sich diese, wie sie eindruckvoll durch Email- und Chat-Verläufe dokumentierte, als genauso schlimm. Sie wurde jahrelang kaum bezahlt und musste sich als einzige Frau in einer Atmosphäre aus toxischer Männlichkeit, hinterhältigen Versprechen und verbalem Missbrauch behaupten.
Nachdem sie abermals einen schweren Zusammenbruch erleben musste, kündigte sie und ergab sich in einen langen Streit um ausstehende Gehaltsforderungen. Schließlich unternahm sie einen Selbstmordversuch, da sie mit all dem Erlebten nicht zurecht kam.
Der Blogpost
Erst vor kurzem fand sie endlich den Mut und die Kraft, über das Geschehene zu sprechen. Ihre Geschichte ist beispielhaft für viele Vorgänge in der Unterhaltungsbranche und sie ermutigt Opfer dazu, ihre Geschichten öffentlich zu machen.
„Ich weiß nicht, ob ich in der Lage sein werde, die Gegenreaktion, die Lüge, die Ausreden, das Gaslighting, das immer durch die Fangemeinde darauf auftaucht, zu überstehen, denn genau das passiert bei sowas. Sie wollen mehr zu „seiner Seite“ der Geschichte hören.
Meiner Seite der Geschichte wurde nie eine Chance gegeben.
Ich bin bereit, es zu versuchen.
Ich teile dies in der Hoffnung, dass dies andere Frauen vor ihm warnt.
Er nutzte eine eifrige, naive junge Frau, die in dieser Branche Fuß fassen wollte aus, verhielt sich so, als würde er mich fördern und zwang mich dann in eine Position, in der er mich ausnutzte. Er ist äußerst manipulativ und wird den Opfern die Schuld dafür geben, was er ihnen antut.
Die meisten Opfer überleben nicht. Sie genießen nicht das Privileg, das Tageslicht so zu sehen wie ich. Wenn jemand wie er dir sowas antut, ist das auf jeder Ebene irreparabel.“
Besonders pikant: Laut Lawhead bezieht Soule die Inspiration für seine Musik aus dem, „was er Frauen antut“. Jeremy Soule hat bis jetzt noch kein Statement zu den Vorwürfen abgegeben.
Eine weitere Designerin traut sich an die Öffentlichkeit
Ermutigt durch Lawheads Blog-Post twitterte gestern eine weitere Indie-Entwicklerin, Zoe Quinn, ihre eigenen Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe gegen Night in the Woods-Entwickler Alec Holowka. Quinn gab nicht an, wann genau dieser sexuelle Übergriff stattfand, nur, dass es sich angeblich einige Monate nach ihrer Karriere als Spieledesignerin ereignete.
Laut Quinn hat sie, nachdem sie Holowka auf Twitter öffentlich beschuldigt hatte, auch Twitter-Nachrichten von anderen erhalten, die behaupten, Holowka habe sie „verletzt“.
„Jesus Christus, die Botschaften, die ich von anderen Menschen bekomme, die er verletzt hat. Ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm war. Es tut mir so leid, dass ich so lange gewartet habe, aber jetzt, was auch immer mit mir passiert, glaube ich nicht, dass ich es bereuen werde.“
Zoe Quinn auf Twitter